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Wer sich einmal an den großen Tisch setzt, der gehört dazu

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Der Begriff Schichtwechsel hat so gar nichts Ungewöhnliches an sich. Selbst Leute, die noch nie in Schichten gearbeitet haben, wissen, was damit gemeint ist. Doch für diesen ganz speziellen Schichtwechsel galt die Standarddefinition nicht mal ansatzweise. Vielmehr ging es darum, für einen Tag die vertrauten beruflichen Sphären komplett zu verlassen und sich stattdessen auf völlig Neues einzulassen.

Am 22. September stand ich daher morgens vorm Eingang der Lebenshilfe-Werkstatt in Radebeul und war zunächst von deren schieren Größe beeindruckt. Tatsächlich hatte ich mit einem Flachbau und vielleicht zwei Dutzend Mitarbeitern gerechnet. Wie viele Menschen in diesem respekteinflößenden ehemaligen Industriegebäude wirklich zugange sind, was sie alles produzieren, bekam ich erst im Laufe des Tages mit.

Zunächst musste ich aber erst mal das Atelier finden. Denn genau dahin sollte mich der Schichtwechsel führen; im Gegenzug würde eine Woche später Hagen Metzelthin einen Tag in der Feuilletonredaktion der Sächsischen Zeitung zubringen. Was sich definitiv vergleichen lässt: Beide waren wir beim Schritt in die berufliche Welt des jeweils anderen ganz sicher ähnlich nervös, ähnlich neugierig.

Vor Jahren war ich einmal einer Hamburger Band begegnet, in der Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Musik machten. Ein kurzes Plaudern, danach ein Konzert und nichts blieb hängen. Was bedeutet: Als ich die Treppe nach oben bis unters Dach stapfte, hatte ich keine Ahnung, was die Künstlertruppe da oben treibt, in welcher Weise die Leute beeinträchtigt und wie sie so drauf sind, wie sie mit mir Eindringling umgehen werden. Ob es ein langes und betretenes Schweigen geben, ich mir vielleicht sofort wünschen würde, ganz woanders zu sein.

Eine Viertelstunde später wussten bereits alle, wann ich Geburtstag habe, dass ich einen Volvo-Kombi fahre und kein großer Zeichner bin. Eben noch schwer beeindruckt vom Atelier selbst, von den angefangenen und vollendeten Arbeiten, von der entspannten Atmosphäre, der knisternden Kreativität, saß ich unter Menschen, die ihre Neugier nicht mühsam im Zaum hielten, sondern einfach drauflos fragten. Kein vorsichtiges Herantasten, kein Gezicke. Ganz klar: Wer sich erst einmal an den großen Tisch setzt, sich auf die Runde einlässt, der gehört dazu. Wäre schön, wenn das überall so funktionierte.

Das präzise Zeitmanagement dieser Künstler wiederum überrascht schon. Um zwölf ist Mittagspause und Punkt! Das dürfte sonst nur in wenigen anderen Ateliers so durchgezogen werden. Ebenso, dass es nach dem Essen einfach weitergeht; kein Gejammer, man habe jetzt nicht mehr den richtigen Flow. Apropos Flow. Von mir aus hätte die Austausch-Schicht ruhig länger gehen können, obwohl eins dann doch problematisch war: Nach wochenlangem Homeoffice hatte ich lange nicht mehr so viel geredet und war am Abend entsprechend heiser.

Andy Dallmann, Redakteur bei der Sächsischen Zeitung

Schichtwechsel Dallmann
Schichtwechsel Dallmann

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